6. April 2021

Dr. Myriam Wagner-Heisig

München für die Füße

Keine Stadtführung in München kommt ohne sie aus, aber kaum einer macht sich die Mühe, ihr beim Rundgang auch einmal dafür zu danken: Die Münchner Gehwegplatte, 35 x 35 cm, aus Beton, kein Schnickschnack. Dabei gilt sie als „identitätsstiftendes Erkennungsmerkmal des öffentlichen Straßennetzes/-geflechts“, so das städtische Baureferat. Wenn Du das auf dem Smartphone lesen, dann schau also bitte gleich nach unten, ob Du gerade auf einer stehst. 
 

Beständig und zuverlässig (meistens)

Seit den 1970er Jahren gibt es die Platten, sie werden im so genannten Hermetikpressverfahren hergestellt: Beton wird unter hohem Druck stark verdichtet, und so entsteht eine extrem porenarme dichte Oberfläche, die bei einer relativ geringen Dicke fester und verwitterungsbeständiger ist als bei anderen Betongussverfahren. Die Kanten sind scharf und nicht abgearbeitet, so können die Platten sehr eng verlegt werden – und machen es leichter, z.B. mit einem Rollator unterwegs zu sein. Die Platten halten auch häufigeren Aus- und Einbau bei Arbeiten im Boden aus. Und geht doch einmal eine kaputt, kann man ohne Probleme eine standardisierte Platte nachordern und verbauen. Ein kleines Wunder an Komfort, Belastbarkeit und Nachhaltigkeit also! 

 

Straßenplatte München

Pflasterstein München

Nur gelegentlich machen die Platten schlapp. 2014 stürzte ein Fußgänger in Haidhausen fast in ein 6 Meter tiefes Loch im Gehweg. Bei näherer Betrachtung konnte das Baureferat aber die beiden Platten wieder freisprechen, die eingebrochen waren: Vermutlich handelte es sich bei dem Schacht, mit dem der Fußgänger so unmittelbar konfrontiert wurde, um die Belüftung eines früheren Brauereikellers. Und so ein Loch im Boden kann auch die beste Münchner Gehwegplatte nicht alleine entschärfen – deshalb wurde es erst verfüllt, ehe es wieder neu „überplattelt“ wurde.

Beton allein ist nicht alles
 
Doch auch, wenn die Liebe von München zur Gehwegplatte innig ist, es gab eine Zeit vorher. Um 1900, so Michael Kubitza, war im Münchner Stadtboden so allerhand verbaut: Granit, Pflaster, Kiesel, Kies, Ziegel, Holz und Lehm. In gehobenen Vierteln wie dem Odeonsplatz oder der Ludwigsstraße konnte man bereits über Asphalt promenieren, doch das mit Abstand heißeste Pflaster war in der Schellingstraße verlegt: Dort gab es eine Holzpflasterung, die damals als der letzte Schrei betrachtet wurde. 

 

München Odeonsplatz

Kinderfüße auf Asphalt

Und es gibt wohl auch eine Zeit danach: Die Münchner Gehwegplatte ist nicht mehr die Alleinherrscherin in der Stadt, zumindest nicht in ihrer Standardausführung. So gibt es z.B. auf dem Josephsplatz Granitplatten im Sonderformat. Diese sind allerdings sehr schwer zu reinigen, wie man weiß, seit die CDU-Ortsgruppe bei einem Sommerfest einen Ochsen briet und das Fett einen hässlichen Flecken hinterließ, der mit einem sehr speziellen Gerät entfernt werden musste. Auch auf dem St.-Pauls-Platz gibt es Granitplatten, und auf dem Wedekindplatz Betonplatten in Sonderformaten und -farben bzw. -oberflächen. Am Bauhausplatz im Domagkpark hat die Platte zwar noch ihr Standardformat, dazu aber auch verschiedene Farbtöne. Und wer weiß, was noch alles kommen könnte! Es lohnt sich also, beim Spazierengehen oder Einkaufen hin und wieder auch nach unten zu schauen.

Du willst das etwas genauer wissen? Bitte sehr, Linktipps…


https://www.sueddeutsche.de/muenchen/muenchen-schwabing-gehwegplatte-bodenbelag-1.4656042

https://www.muenchen-transparent.de/dokumente/5842392/datei

 

… und ein Lesetipp: Michael Kubitza, Das Bier, das Leuchten und der Grant. Münchner Alltagsleben um 1900, Allitera-Verlag.

Wir freuen uns darauf, einmal wieder mit Euch auf Münchner Gehwegplatten zu einem Rundgang unterwegs zu sein! In der Zwischenzeit freuen wir uns über Likes und Kommentare.

weather mit kreide

Ich gehe sehr gerne zu Fuß. Ein Aufenthalt in Italien hat bei mir ein tiefsitzendes Misstrauen gegenüber Bussen ausgelöst, die rein theoretisch ja überall von der vorgesehenen Route abbiegen könnten. U-Bahnen sind in dieser Hinsicht ungleich zuverlässiger, aber da sieht man halt zwischen den Stationen so wenig – also lieber weiter zu Fuß, am liebsten mit Rundgangsteilnehmern!

Pflasterstein München