11. April 2021

von Petra Wucher

Noch bis 29. April 2021: Die Tolerance-Poster im Kunstareal


Das Tolerance-Poster-Projekt des angesehenen Designers Mirko Ilić ist zu Gast im Münchner Kunstareal. Bis zum 29. April könnt Ihr an zehn Standorten die von internationalen Künstlerinnen und Künstlern gestalteten Plakate zum Thema Toleranz  sehen. Ein guter Grund, mal wieder durch die Maxvorstadt zu streifen. 

 

Im Museumsquartier regen die fantasievollen Arbeiten zum Nachdenken an. Die Plakate hängen vorwiegend draußen – mit Ausnahme des Ägyptischen Museums und des Amerikahauses – und sind frei zugänglich. Die meisten habe ich bei der Pinakothek der Moderne und der Markuskirche gefunden. 

Eine Liste mit allen Stationen steht am Ende dieses Blog-Beitrags. 

ägyptisches Museum
Foyer des ägyptischen Museums

 

Pinakothek der Moderne und Poster
Pinakothek der Moderne

 

Die Anfänge der Aktion
Ins Leben gerufen hat das Projekt der gebürtige Bosnier Mirko Ilić. Der Grafikdesigner lebt seit 1986 in New York. Dort war er Art Director des Time Magazin International Edition, gründete 1995 seine eigene Firma, die Mirko Ilić Inc., und lehrt seit über 20 Jahren Bildende Kunst an der School of Visual Arts. 

 

Seit 2017 bittet Ilić seine Kolleginnen und Kollegen, Plakate zum Thema Toleranz zu entwerfen. Das erste Poster sowie das Logo der Aktion stammen von dem US-Designer Milton Glaser, der im Juni 2020 verstorben ist. Bis heute nahmen 169 Künstlerinnen und Künstler an dem Projekt teil, deren Werke auf ihrem Weg um die Welt schon 27 Länder bereist haben. Darunter Taiwan, Südkorea, Dänemark, Kroatien und Rumänien. Und nun Deutschland mit der Station in München. 

Kopf auf buntem Plakat
[Pinakothek der Moderne; v.l.: Leo Lin, Taiwan, Milton Glaser, USA]

Plakat Toleranz
[li.: Max Kisman, Niederlande]

 

 

Die vielen Facetten der Toleranz
Die einzige Vorgabe für die Designer: Es muss „Toleranz“ in der Landessprache auf dem Plakat stehen. Oder ein ähnliches Wort. Denn in manchen Sprachen gibt es diesen Begriff nicht. So überschrieb Max Kisman aus Amsterdam sein Plakat mit dem für deutsche Ohren zutiefst beruhigenden Ausdruck „Verdraagzaamheid“ (Toleranz oder Duldsamkeit). 

„Toleranz heißt nicht, dass man jemanden mit Liebe überhäuft. Es bedeutet, dass man jemanden, der anders ist, nicht hasst“, so sieht das der Initiator des Projekts. Entstanden ist eine große Vielfalt an Ideen und Themen. 

Die Werke zeigen immer wieder: Toleranz hat ganz viel mit Humor zu tun. Wie die Elefanten-Illustration des Portugiesen João Faria vor der Markuskirche. Irgendwie ist auf dem Plakat alles verkehrt herum. Der Dickhäuter ruht auf den Schultern eines Strichmännchens, auf seinen patschigen Füßen jongliert er die Buchstaben von Tolerancia. Andersrum würde er sie zerquetschen. Ein grandioser Balance-Akt.

Elefant steht Kopf
(re. João Faria, Portugal)

 

Stöckelschuhe an behaarten Beinen
[v.l.: Anna Lena von Helldorf, Deutschland, C. Niemann, Deutschland, Illya Pavlov, Maria Norazyan, grafprom studio, Ukraine]

 

 

Toleranz trifft auf Intoleranz 

Dass es mit der Toleranz schnell ein Ende hat, erzählte Ilić im Deutschlandfunk am 30. März. Im rumänischen Temeswar seien immer wieder Poster verschwunden. Auf YouTube war dann ein Video zu gesehen, in dem eine anonyme Gruppe die Plakate mit Benzin übergossen und verbrannt hat. Die Erklärung: Das sei ja fremde Kultur von diesen ganzen schwulen Leuten.

Kaum erstaunlich, dass es bei vielen Plakaten um sexuelle Orientierung und Selbstbestimmung geht. Und sind die stacheligen Beine in den Stöckelschuhen nicht charmant? 

Selbst im vermeintlich weltoffenen Paris gab es Ärger. Der gebürtige Libanese Tarek Atrissi, der heute in den Niederlanden lebt, zeigt eine verhüllte Frau. Darunter steht das Wort Toleranz auf Arabisch. Ilić erzählte im Deutschlandfunk: Die Kuratoren in Paris fürchteten, dass der arabische Schriftzug die Menschen abschrecke. 
Sie könnten schließlich nicht lesen, was da steht ...  Dabei sagt es Atrissi auf dem Plakat ganz deutlich: „Replace fear of the unknown with curiosity“ (Ersetzt die Angst vor dem Unbekannten durch Neugier). In Paris war das Projekt deshalb nicht zu sehen. 

Toleranz-Poster nah
[v.l. Tarek Atrissi, Libanon-Niederlande, Tomato Košir, Slowenien, Rafał Olbinski, Polen-USA]

 

verschiedene Plakate Pinamo
Pinakothek der Moderne

München könnte aufgeregter sein …
Bei meinen Besuchen im Kunstareal war ich gefühlt die Einzige, die sich die Plakate  angesehen hat. Hier irritieren sie nicht, niemand stört sich an ihnen. Aber nimmt sie auch jemand wahr? Es hätte sicher bessere Standorte gegeben als das coronaverwaiste Museumsquartier. Schließlich hat München zahllose Mauern in belebteren Gegenden. Dort hätte die Aktion die verdiente Aufmerksamkeit bekommen. Denn Toleranz und Respekt sind und bleiben in allen Kulturen ein Thema. 

 

 

Die Standorte des Projekts im Kunstareal
1) Amerikahaus innen, Karolinenplatz 3. Wenn die Corona-Lage es erlaubt, ist das Haus Montag bis Freitag von 14 bis 18 Uhr geöffnet. 
2) DesignBuild Pavillon 333 zwischen Pinakothek der Moderne und Türkentor
3) Design-Museum  in der Pinakothek der Moderne,  Glasfassade an der Türkenstraße
4) Hochschule für Fernsehen und Film, Bernd-Eichinger-Platz 1 
5) Zentralinstitut für Kunstgeschichte, Katharina-von-Bora-Straße 10

6) Museum Mineralogia, München Theresienstraße 41, Plakat an der Barerstraße
7) Staatliches Museum Ägyptischer Kunst Gabelsbergerstraße 35, im Foyer, geöffnet Dienstag von 10 bis 20 Uhr, Mittwoch bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr 
8) Sankt Markus,  Gabelsbergerstraße 6 
9) Litfaßsäule Ludwigstraße 27, Achtung: nur noch bis 15.04.2021
10) U-Bahnhof Theresienstraße, Treppenabgang zum Bahnsteig und im Zwischengeschoss 

 

Weitere Infos
Infos und Lageplan zur Ausstellung in München: https://dnstdm.de/tolerance
Webseite (nur auf Englisch) mit den Stationen in allen Ländern: https://tolerance-project.org 

 

Alle Fotos auf dieser Seite stammen von Petra Wucher.

Poster Toleranz
[v.li. (???) , Frank Arbelo, Bolivien 2019, István Orosz, Ungarn]

 

Ich bin Übersetzerin und Lektorin. Da raucht mir oft der Kopf. Am besten verzieht sich der Qualm auf Ihren Touren, die sie für STATTreisen München anbietet. Bis das wieder geht, muss ich wohl alleine durch das Freilichtmuseum München streifen.